Unlearn CO₂: Bewertung und Zusammenfassung

Rezension: Meine Bewertung zum Buch

Die Aufmachung mit 14 Aufsätzen zu verschiedenen Themen durch Autor:innen aus jedem Fachgebiet finde ich sehr angenehm. Dadurch ist es möglich, das Buch etappenweise zu lesen und auch immer wieder zur Seite zu legen.

In dieser Breite habe ich die Themenauswahl sehr geschätzt. Neben Klassikern, wie Ernährung, Energie oder Mobilität gibt Unlearn CO₂ auch sonst wenig beleuchteten Aspekten des Klimawandels viel Raum. Die Stärke des Buches liegt definitiv in seiner thematischen Vielfalt und der Beleuchtung oft vernachlässigter Aspekte des Klimawandels. Besonders hervorzuheben sind:

  • Der Abschnitt „Unlearn Veränderung“, der inspirierend auf den Umgang mit Krisenmüdigkeit eingeht und zum aktiven Handeln motiviert.
  • „Unlearn Ableismus“, der neue Perspektiven eröffnet und Verbindungen zu anderen vulnerablen Gruppen aufzeigt.
  • „Unlearn Recht“, der komplexe juristische Themen verständlich aufbereitet und innovative Konzepte wie Rechte für die Natur vorstellt.

Störend empfand ich, dass sich einige Argumente und Forderungen wiederholen, was auf die Verflechtung der Themen zurückzuführen ist. Dies führt zu einem gewissen Mangel an Stringenz und hätte möglicherweise durch eine straffere Redaktion vermieden werden können.

Einige Kapitel, wie „Unlearn Ernährung“ und „Unlearn Automobilität“, bieten zwar interessante Fakten, leiden aber unter einem fehlenden roten Faden. Andere, wie „Unlearn Patriarchat“, präsentieren zwar wichtige Zusammenhänge, bleiben aber bei konkreten Lösungsansätzen vage.

Insgesamt bietet „Unlearn CO2“ eine leicht zugängliche, inspirierende Lektüre mit vielen Denkanstößen. Es eignet sich besonders für Lesende, die einen breiten Überblick über die verschiedenen Aspekte der Klimakrise suchen und offen für neue Perspektiven sind. Das Buch regt zum Nachdenken an und motiviert dazu, aktiv an Veränderungen mitzuwirken, auch wenn es in einigen Bereichen an Tiefe und konkreten Handlungsempfehlungen mangelt.

Unlearn Verdrängung (Katharina van Bronswijk)

Frau van Bronswijk beleuchtet als Psychologin die Auswirkung der Klimakrise auf die menschliche Psyche – und auch, warum manche sich dem Thema verweigern.

Klimawandel erzeugt viele Emotionen - von Angst über Wut bis Vorfreude auf Wandel

Klimaleugnung entsteht durch Verlust von Privilegien

Klimaleugnung entstehe vor allem durch die Angst, den eigenen Status oder Privilegien zu verlieren. Wenn teure Autos und viele Reisen als Statussymbol in der Gesellschaft angesehen wurden, definiert sich darüber ein Selbstwert. Diese Privilegien werden nun aber hinterfragt. Dies stellt die Identität von Privilegierten (oft weißen Männer) in Frage. Worüber definiere ich mich stattdessen?

Immer wenn mir ein "weg von" anstreben, dann ist auf der anderen Seite eine gähnende Leere, was stattdessen sein könnte, aber noch nicht ist. Das "hin zu" als Gegenentwurf zum aktuellen Status quo wird aktuell noch gesellschaftlich ausgehandelt.
- Katharina van Bronswijk

Transformationsangst kann Angst, Wut, Scham oder Trauer erwecken

Und so kommt es, dass diese „Transformationsangst“ verschiedene Gefühle hervorrufen:

  • Angst: hier nicht zwingend aufgrund des Identifikationsverlusts, sondern aufgrund zunehmenden Extremwetter, Überschreitung planetarer Grenzen und Zukunftsszenarien mit Erderwärmung
  • Wut: der Klimawandel zeigt, dass Gerechtigkeit als Wert oft verletzt wird – auch wenn dies individuell anders betrachtet wird. Der Klimawandel führt uns Generationen-, soziale und globale Ungerechtigkeiten vor Auge. Sollten Menschen im globalen Süden den gleichen Lebensstil haben können, wie im Norden? Oder umgekehrt? Müssten alte Generationen im Sinne der Jungen zurückstecken? Dies offenbart Konfliktpotential, was durch Wut aufgeheizt werden kann.
  • Ekel und Verachtung: das Unverständnis, wenn andere eine Karibik-Kreuzfahrt, einen Urlaubstrip mit Flug oder beliebig andere Klimasünde gemacht haben.
  • Schuld und Scham: lässt uns den Zug anstatt des Fluges buchen oder Gewohnheiten ändern, um keine Schuldgefühle zu haben. Diese Emotion kann also sehr konstruktiv sein, sollte uns aber nicht dazu verleiten, nicht auch die Lobbyinteressen und Machtstrukturen (Shell, BP und Co lassen grüßen) zu hinterfragen.
  • Trauer: setzt ein, wenn die Warnung durch andere Gefühle zu spät ist. Es ist die Trauer, die wir beim Anblick der gestorbenen Wälder im Harz oder den ausgetrockneten Rhein verspüren.
Problematisch ist nicht das Gefühl (das ist es nie), sondern wie wir damit umgehen.
- Katharina van Bronswijk

Einfach ausblenden? Krisenmüdigkeit kann am besten gemeinsam und mit Zukunftsvorfreude überwunden werden

Diese Gefühle zusammen mit den vielen anderen schlimmen Nachrichten lassen eine Krisenmüdigkeit entstehen. Nach Coronapandemie und Kriegen möchten wir nicht auch noch über den Klimawandel nachdenken.

Warum verdrängen wir die Klimakrise also nicht einfach? Ein Teil unserer Identität entsteht durch unser soziales Gefüge. Wir sind nicht nur Geschwister, Kind, Elternteil oder Partner:in – sondern auch Teil eines Vereins, einer Arbeit, unserer Demokratie und Gesellschaft. Wir haben Erwartungen an uns und können feststellen, dass gemeinsam mehr geschafft werden kann, als alleine.

Wir können das Gewicht der Welt nicht alleine schultern, aber gemeinsam können wir tatsächlich größere Hebel in Bewegung setzen.
- Katharina van Bronswijk

Und damit kommen auch positive Emotionen ins Spiel. Stolz, Vorfreude und Gemeinschaftsgefühl sind starke Motivatoren. Wir sollten darüber reden und daran arbeiten, das Schöne hervorzuheben. Wie lebenswert die Zukunft ohne fossile Verbrennung sein kann: mit sauberer Luft, gesunden Böden und besserer Gesundheit.

Unlearn Ernährung (Sophie Hoffmann)

Die Köchin, Autorin und Gastronomin beleuchtet, welche Änderungen in der Ernährung zu einer klimagerechteren Welt beitragen könnten.

Die bessere Art der Ernährung ist pflanzlich

Ein zentraler Punkt ist die Reduktion von tierischen Lebensmitteln.

Weltweit leiden 753 Millionen Menschen an Hunger. [... Obwohl] wir rein theoretisch in der Lage wären, alle Menschen auf diesem Planeten ausreichend zu ernähren. Und das mit nur einer fundamentalen Änderung: Wir müssten damit anfangen, Plfanzen zu essen, die wir momentan stattdessen lieber an Tiere verfüttern.
- Sophia Hoffmann

Während bei der Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch 14 Kilogramm CO₂ entstehen, kommt dieselbe Menge an Gemüse auf 100 bis 200 Gramm. Ähnliche Verhältnisse entstehen beim Energie-, Dünger und Wasserverbrauch.

Interessant ist auch, dass das Tierleid bei „essbaren“ Tieren ausgeblendet wird und bei „nicht essbaren“ Haustieren unter hohen Kosten ein lebenswertes Leben finanziert ermöglicht wird. Diese Unterscheidung wird Karnismus genannt.

Dabei gibt es viele Fakten, die dafür sprechen, die Getreide und Hülsenfrüchte selbst zu essen, anstatt damit Tiere zu mästen:

  • Rund zwei Millionen Tiere werden alleine in Deutschland geschlachtet – jeden Tag!
  • 78 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird für die Tierhaltung beansprucht
  • Regenwälder werden häufig für die Futtermittelproduktion für Tiere gerodet
  • 628 Liter Wasser werden für die Erzeugung von einem Liter Kuhmilch benötigt – knapp 50 Liter sind es bei Hafermilch.

Wertschätzung statt Überfluss

Ein weitreichendes Problem ist zudem die Lebensmittelverschwendung. Beispielsweise wird nur in Deutschland das Erzeugnis von Äckern in der Größe von Mallorca nur an Brotwaren jährlich weggeschmissen. 60% davon in der Wertschöpfungskette (Ausschussware von Feldern, Supermärkten, Gastronomien oder Kantinen) und 40% im Privathaushalten.

Grund kann das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ sein, obwohl Lebensmittel in aller Regel noch über das Datum hinaus genießbar sind. Ein weiterer Grund sind immer größere Verpackungsgrößen oder das Vorhalten von vollen Regalen bis zum Ladenschluss.

Bitte keine Fischstäbchen mehr

Und auch in den Meeren hat unsere Ernährung großen Einfluss. In Europa sind 64 Prozent der Fischbestände überfischt – es wächst also weniger Nachwuchs auf, als Fische getötet werden. So gelten im Mittelmeer bereits 73 Prozent der kommerzialisierten Fischarten als bedroht.

Durch die Fischtechniken, mit kilometerlangen Netzen, die über den Meeresboden schreddern werden, ganze Ökosysteme beschädigt. Darüber hinaus sterben Delfine, Schildkröten und Co. als ungewollter Beifang, welcher bis zu 80 Prozent des Netzes füllen kann.

Auch in Aquakulturen, also Massentierhaltung im Wasser, leiden die Tiere und müssen wie auch an Land energieintensiv gefüttert werden.

Empathie bei der Ernährung

Neben den genannten Auswirkungen bringt die Agrar- und Fleischindustrie gepaart mit Discounterpreisen auch schlechte Arbeitsbedingungen mit sich. Es gibt also genug Gründe, den Konsum und das System zu hinterfragen.

Wir haben mittlerweile genug Informationen und Wahlfreiheit, um immer häufiger zu pflanzlichen Alternativen zu greifen. Wir sollten uns die einzelnen Schicksale der Tiere vor Augen führen – so wie wir es auch machen, wenn unser Hund zum Tierarzt muss.

Unlearn Ableismus (Andrea Schöne)

Die Journalistin und Referentin zu u. A. zum Thema Ungleichheit berichtet als gehbehinderte und kleinwüchsige Person von ihren Erfahrungen zum Klimawandel und wie Klimaschutz eine Gefahr für die Barrierefreiheit darstellen kann.

Nicht nur bei der Verkehrswende muss Integration mitgedacht werden

Unter Öko-Ableismus versteht Andrea Schöne moralische Vorwürfe und Diskrimation von Behinderten wegen umweltschädlichen Verhaltens, ohne andere Bedarfe durch Krankheiten oder Behinderungen anzuerkennen. Chronisch Kranke, Neurodivergente und Behinderte können nicht immer unverpackt einkaufen oder müssen im Winter stark heizen, da chronische Gelenkschmerzen temperaturabhängig sind. Oder die Regulierung der Körpertemperatur muss bei Hitze bei Multiple Sklerose Klimanlagen unterstützt werden. Neben den Vorwürfen durch Umweltschützer:innen, können auch gut gemeinte Gesetzesänderung das Leben Behinderter erschweren.

Ein Beispiel ist das Verbot von Plastiktrinkhalmen durch die EU. Einige Menschen, z.B. mit Spastiken sind auf Strohhalme angewiese und könnnen andere Materialien nicht gut nutzen (s. erläuternd einen Beitrag zu Trinkhalmen bei Behinderung von Raúl Krauthausen).

Auch in der Verkehrswende und 9-Euro-Ticket wird der Bedarf von Behinderten wenig berücksichtigt. Die steigende Nutzung führt zu Überfüllung und überfordertem Personal. Einstieghilfen und genug Platz für gehbehinderte Menschen wird damit besonders rar und macht das Reisen im Zug fast unmöglich.

Im politischen Prozess fehlt es also offensichtlich an der Berücksichtigung der Rechte von Menschen mit Behinderung.

Politische Beteiligung behinderter Menschen

Medial erhält der teils negative Einfluss von Klimaschutzmaßnahmen auf behinderte Menschen sehr wenig Aufmerksamkeit. Dadurch werden die Folgen Gesetzgebung in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Ein Lichtblick ist das Sustained Ability Disability Climate Network, welches sich für die Vereinbarkeit von Klimagerechtigkeit und Bedarfen behinderter Personen einsetzt. Es konnte immerhin schon den Schutz und das Recht Behinderter im Zuge des Klimawandels in UN-Resolutionen und Tagungen auf die Agenda bringen.

Katastrophen: noch schlimmer für Menschen mit Behinderung

In der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 sind zwölf behinderte Menschen ertrunken, da eine Behinderteneinrichtung nicht rechtzeitig evakuiert wurde. Aus Kostengründen war diese zudem unterbesetzt und ggf. nicht rechtzeitig gewarnt worden. Auch beim Hurrikane Katrina gab es 2005 einen hohen Anteil an Behinderten unter den Opfern.

📽️
Andrea Schöne empfiehlt zur Aufarbeitung der Flutkatastrophe die Dokumentation „Rette sich, wer kann – Wie Katastrophenschutz für Menschen mit Behinderung versagt“ vom inklusiven Magazin andererseits.

Diese Beispiele unterstreichen die hohe soziale Vulnerabilität in Katastrophen, der behinderte Menschen durch schlechte Vorbereitung im Katastrophenschutz ausgesetzt sind.

Doch wie ließe sich das ändern? Vor allem durch Katastrophenprävention und Vorbereitung: Bedarfe behinderter Menschen müssen bei Planungen für Katastrophensituationen beachtet werden, z.B. bei Fluchtwegen. Der Bevölkerungsschutz sollte mit Behindertenorganisationen und öffentlichen Einrichtungen kommunizieren. Die persönliche Vorbereitung von Behinderten muss zudem eigene Bedarfe beachten: medizinische Versorgung, Batterien für Hilfsmittel, Instruktion von Bekannten oder Anmeldung von Assistenzbedarf in Katastrophensituation bei offiziellen Diensten. Andrea Schöne empfiehlt auch das Notfallregister.

Unlearn Medien (Julien Gupta, Manuel Kronenberg)

Die Autoren knüpfen an Frau van Bronswijks Aussagen an, indem Sie fordern, dass in den Medien nicht nur die Gefahr, sondern auch die Lösungen zur Klimakrise dargestellt werden müssen.

Gute Klimakommunikation [...] nimmt uns die Scheuklappen der Verdrängung ab und zeiht uns aus dem Loch der Ohnmacht.
- Julien Gupta & Manuel Kronenberg

Die Klimaberichterstattung sitzt demnach fünf großen Missverständnissen auf:

  1. "Es gibt doch schon viel Klima in den Medien": In den breiten Medien wird sehr wenig über die Klimakrise gesprochen, z.B. nur 1,8% des Gesamtprogramms im deutschen Fernsehen. In anderen Medienkategorien sieht es nicht viel besser aus
  2. "Klima ist ein Thema unter vielen": Zur gleichen Zeit als Will Smith bei der Oscar-Verleihung dem Moderator eine Ohrfreige verpasste, berichtete der Weltiklimarats der UN (IPCC), dass Teile des Planetens in naher Zukunft unbewohnbar werden. Ein Vorkommnis davon hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Erwähnenswerte Ereignisse der Weltgeschichte sollten daher in den Kontext gesetz werden: Gasverbrauch und Invasion der Ukraine, Pandemien und Zerstörung der Ökosysteme. Die Klimakrise sollte immer mitgedacht werden.
  3. "Es gibt immer zwei Seiten": Auch als False Balance bezeichnet ist die irreführende mediale Darstellung, bei der wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und Randmeinungen (z.B. Klimawandelleugner) als gleichwertig präsentiert werden. Am Ende kann der Eindruck eines wissenschaftlichen Sissens entstehen, wobei tatsächlich ein 99 prozentiger Konsens über den menschengemachten Klimawandel besteht.
  4. "Journalist*innen dürfen sich mit keiner Sache gemein machen": ist ein häufiges Gegenargument für mehr Aufmerksamkeit zur Klimakrise. Klima sei zu politisch. Die Klimakrise bedroht allerdings die in der Verfassung verankerten Menschenrechte - und die Aufgabe des Journalismus ist es dessen Werte zu vertreten.
  5. "Die Klimakrise ist ein weit entferntes Problem ohne Lösungen": Zu wenig Aufmerksamkeit bekommen einerseits die heutigen Auswirkungen der Krise als auch Lösungsansätze zu den dargestellten Problemen.
Das Klima ist kein Thema, sondern eine Dimension jeden Themas
- Klimajournalismus-Netzwerke
Klimaberichterstattung: Lösungen statt Probleme in den Vordergund stellen

Emotionen, Begriffe und Held*innen richtig balancieren

Ein große Herausforderung der Klimaberichterstattung ist Nennung des Problems: Globale Erwärmung, Klimawandel, Klimakrise, Ökozid... Wärme klingt angenehm, Wandel kann positiv sein, eine Krise ist vorübergehend. Nichts wird dem eigentlichen Problem gerecht und teils wurden die Begriffe aktiv durch die fossile Lobby geprägt. In Ermangelung an Alternativen wird häufig Klimakrise als treffendste Beschreibung verwendet.

Und diese Klimakrise kann dann mit emotionalen Geschichten die Aufmerksamkeit erhaschen, denn gute Geschichten fesseln die Leserschaft. Dabei werden leider häufig Held*innen, Bösewichte und Happy-Ends herbeibemüht. Greta Thunberg ist ein Beispiel der Heldin, die dann durch Ihre Positionierung im Nahostkonflikt die Klimabewegung stellvertretend in Verruf brachte. Stetiger Wandel zur Klimagerechtigkeit ist aber alles andere als eine Heldenreise. Was hilft dann? Positivbeispiele sind

  • The Guardian hebt sich durch häufige und wissenschaftlich genaue Berichterstattung hervor
  • Correctiv lenkt den Blick mit einem Netzwerk an Lokaljournalist*innen auf die Auswirkung der Klimakrise vor Ort
  • Klimajournalismusnetzwerke haben eine Charta entwickelt, die für Redaktionen Grundlage sein können
Gute Klimaberichterstattung räumt auf mit journalistischen Missverständnissen und fossilen Märchen. Sie hinterfragt Bremserargumente, Greenwashing und dreiste Lügen. Sie ist wissenschaftlich auf dem neusten Stand, berichtet über Zusammenhänge und fokussiert sich auf Lösungen. Sie erzählt von den Erfolgen im Kampf gegen die Klimakrise, immer im Bewusstsein über die Grenzen unserer Sprache
- Klimajournalismus-Netzwerke

Unlearn Recht (Alexandra Endres & Roda Verheyen)

Hat die Natur ein Recht auf Erhalt? Diese Frage stellen Roda Verheyen (Rechtsanwältin, Aktivistin, Autorin) und Alexandra Endres (Journalistin). Die ernüchternde Antwort: Momentan in unseren Gesetzen eher nicht. Aber gesellschaftlicher Wandel geht (langsam aber sicher) auch in Gesetze über.

[Der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgericht] ist eine starke juristische Grundlage, um klimaschädliche Emissionen künftig radikal zu senken
- Alexandra Endres & Roda Verheyen

Die planetaren Grenzen könnten sich gut ins Recht übertragen lassen. Dennoch sind sie heute im geschriebenen Recht unterrepräsentiert und finden kaum den Weg in Urteile.

Das Konzept der planetaren Grenzen müsste eigentlich attraktiv sein für alle, die Recht setzen und es anwenden. Grenzen, [..] auch Verbote genannt, sind im geschriebenen Recht völlig üblich.
- Alexandra Endres & Roda Verheyen

Klimaschutz hat Verfassungsrang

Eine planetare Grenze ist rechtlich z.B. in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Deutschland anerkannt. Und auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass die Freiheit zukünftiger Generationen geschützt und daher das Pariser Klimaabkommen umgesetzt werden müsse.

Somit gelten Emissionsgrenzen, die derzeit von Deutschland allerdings nicht eingehalten werden. Es bleibt abzuwarten, wie Politik und Gerichte darauf reagieren. Die Anzahl von Klimaklagen gegen Länder und Unternehmen steigen weltweit.

Juristisches Vakuum

Warum findet trotz der Urteile der angemessene Klimschutz nicht den Weg in die Gesetzgebung? Das hat vor allem zwei Gründe:

  1. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar festgestellt, dass das CO2-Budget gedeckelt ist - es hat aber nicht festgelegt, welcher Sektor welchen Anteil davon nutzen kann. Das Parlament, was diese Aufgabe eigentlich hat, priorisiert allerdings andere Themen.
  2. Das Umweltrecht in Deutschland hat eine andere Logik: es orientiert sich nicht an den ökologischen Grenzen der Welt, sondern nimmt den aktuellen Stand der Technik als Maßstab für Grenzwerte von schädlichen Schadstoffen. Die Zulassung von Straßen, Fabriken, Autos sind also legal, solange sie geltende Grenzwerte einhalten. Sobald diese gebaut wurden, greift der Bestandsschutz. Rückwirkend kann eine Genehmigung trotz strengerer Umweltauflagen nicht ohne Weiteres entzogen werden.
Weder Verbrauch noch Produktion werden mengenmäßig eingeschränkt. Das recht, eine natürliche Ressource zu nutzen, wird regelhaft vor Gericht stärker gewichtet als das Recht der Natur auf Schutz.
- Alexandra Endres & Roda Verheyen

In der Praxis erwirtschaften einige wenige durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen Geld und die Folgekosten (z.B. Dürren, Überschwemmungen, Klimanpassung in Städten, Gesundheitskosten) muss die Allgemeinheit tragen. Zudem wird das Recht auf Leben und Gesundheit, Nahrung und Wasser, soziale Sicherheit und vieles mehr, verletzt.

Verletzte Menschenrechte stehen daher im Zentrum vieler Klimaklagen. Manche sagen, dass die Natur eigene Recht erhalten soll, da Menschen als Teil der Natur von ihr abhängig sind. Weilweit gibt es Urteile, die Flüssen, Lagunen oder Wäldern Rechte zusprechen.

Ideen für ein klimafestes Rechtssystem

  • Ökologische Verhältnismäßigkeit: Genehmigungen für neue Infrastruktur wäre nur zulässig, wenn nachgewiesen wird, dass sie Klima- und Biodiversitätsziele Deutschlands nicht gefährden.
  • Planetare Gemeingüter: Ökosysteme mit hoher Relevant für die Bewohnbarkeit der Erde, wie tropische Regenwälder, Permafrostböden oder Korallenriffe, werden unter besonderen Schutz gestellt. Beauftragt für den Schutz werden Länder und indigene Gruppe, die dafür von Transferleistungen erhalten
  • Eigenrechte der Natur: Erhalten Flüsse, Wälde und Co eigene Rechte, müsste deren Erhalt nicht über Nutzungsinteresse oder Menschenrechte verteidigt werden. Für Klagen und in Genehmigungsverfahren erhielte die Natur einen viel höheren Stellenwert.
  • Menschenrechte: die Schaffung eines Menschenrechtes darauf, in einer sauberen und gesunden Umwelt zu leben.
  • Umweltvölkerrecht: Vereinbarungen der UN und über den Internationalen Gerichtshofe können eine weltweite rechtliche Grundlage für Umweltschutz schaffen.

Unlearn Automobilität (Katja Diehl)

Die Aktivistin, Autorin und Beraterin für eine menschengerechte Mobilitätswende hinterfragt die Abhängigkeit zum Auto. Deutschlands wichtigste Industrie (obwohl die Pflegebranche oder Gastronomie mehr Leute beschäftigt bzw. mehr Umsatz erwirtschaftet) geht es trotz öffentlicher Darstellung gut und sie müsse sich an der Mobilitätstransformation beteiligen.

Autofahrende müssen sich fast keine Gedanken um ihre Sicherheit machen oder wo sie ihre kaum bewegten Fahrzeuge abstellen. Es gibt überall breite Straßen und Parkflächen. Das verschmälert die Fußwege in Städten und macht sie mit dem Rollstuhl oder Kinderwagen unpassierbar.
- Katja Diehl

Autofahrer sind dabei bei weitem nicht in der Überzahl:

  • 13 Millionen Erwachsene in Deutschland haben keinen Führerschein
  • 13 Millionen Kunder und Jugendliche dürfen nicht selbst fahren
  • 14,2 Millionen Menschen können sich kein Auto leisten
  • Menschen mir geringem Einkommen wohnen dafür häufig mit Autolärm und Abgasen
Unser Verkehr favorisiert häufig das Auto

Auto = Freiheit?

Ein Auto gilt als Inbegriff von Freiheit. Dabei ist es eher eine Autozwangsmobilität. Ohne Auto geht es nicht.

Die Abhängigkeit vom Auto wird als Lösung missdeutet. Wenn Autozentriertheit angezweifelt wird, wird es als Angriff auf die Lebensgestaltung verstanden
- Katja Diehl

Im Gegenteil: das Auto beschränkt die im Grundgesetz verankerten Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und körperliche Unversehrtheit, denn ohne Auto ist Mobilität (im ländlichen Raum) kaum möglich und es gibt jeden Tag bis zu acht Verkehrstote. Vor allem Radfahrende und betroffen.

Zudem kommen die hohen CO2-Emissionen im Verkehrssektor, der 22% der Gesamtemissionen Deutschlands ausmachen. Etwa zwei Drittel davon sind auf private PKW-Fahrten zurückzuführen.

Wenn der Autoverkehr also die Freiheit einschränkt und Emissionen in die Höhe treibt, warum ist dieser noch Zentrum der Mobilität? Das liegt an der engen Verzahnung von Autolobby und der Politik.

Das Verkehrsministerium [...] hieß früher Straßenbau- und Autoministerim. Den Autoverkehr in den Mittelpunkt zu stellen, liegt also in der DNA.
- Katja Diehl

Und so kommt es dazu, dass ehemaliger Verkehrsminister*innen samt ihrer Kontakte in die Autolobby wechseln und stets neue Subventionen für die Autoindustrie aufgesetzt werden.

Mobilitätswende ist mehr als nur auf E-Autos umzustellen

Im Fokus der Politik steht häufig die Förderung von E-Autos. Aber selbst, wenn alle Verbrennermotoren umgestellt wären, hätten Autos noch erhebliche Nachteile.

Durch Straßenbau und gesundheitliche Kosten (z.B. Reifenabrieb, Feinstaub, Lermbelästigung) lassen sich die externen Kosten eines Autos beziffern:

  • 600.000 € für einen Kleinwagen (Opel Corsa)
  • 653.561 € für eine Kompaktklasse (VW Golf)
  • 956.798 € für einen SUV (Mercedes GLC)

Wie sähe eine wirkliche Mobilitätswende also aus?

  • Parkraumbewirtschaftung und autofreie Zonen: Stellflächen verringern und bepreisen, Lieferzonen einrichten und Zonen, die ausschließlich von Lieferverkehr, Handwerk und Menschen mit Behinderung befahren dürfen
  • Tempolimits, um Lermbelästigung und die Zahl von Verkehrstoten zu verringern
  • ÖPNV, Radinfrastrukur und Alternativen ausbauen: insbesondere auch außerhalb der großen Städte, muss eine Anbindung mit (e-)Bike, öffentlichem Verfehr und Alternativen wie Carsharing und Lastenräder einfach uns günstig sein
  • Schienennetz und Abholservice-Busse ausbauen, vor allem als Alternative im ländlichen Raum (und als Gegensatz zur steuerlichen Förderung der Pendlerpauschale)
  • Mitfahrzahl im PKW erhöhen, z.B. durch Spuren exklusiv für Autos mit mehr als einem Passagier, als Alternative für schlecht ausgebauten ÖPNV
Wir reisen nicht dorthin, wo gut geparkt und schnell durchgefahren werden kann, sondern dorthin, wo wir [...] auf dem Marktplatz sitzen [...] und uns in Ruhe unterhalten können. Warum wollen wir das nicht vor der eigenen Haustür?
- Katja Diehl

Unlearn Wachstum (Prof. Dr. Claudia Kemfert)

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert erforscht die ökonomischen Wirkungen von Klimaschutz und Energiewende. Sie fordert die Abkehr von Wirtschaftswachstum als eine zentrale Zielgröße der Politik.

Zwar führt Wirtschaftswachstum durch steigende Beschäftigungszahlen, Stuereinnahmen und Wohlstand, dennoch ist dieser durch den Energiebedarf an höhere Emissionen und Klimabelastung gekoppelt.

Effizienz, Suffizient und Konsistenz für eine nachhaltige Wirschaft

Drei wichtige Ansätze für eine Wirtschaft in planetaren Grenzen sind die Effizienz, Suffizient und Circular Economy:

  • Wirtschaftswachstum kann durch Effizienzgewinne nachhaltig stattfinden: Effizienzgewinne, z.B. durch effizientere Autos oder Gebäudedemmungen ermöglichen unseren Wohlstand in Einklang mit Nachhaltigkeit. Dies wird in der Praxis oft durch den Rebound-Effekt zunichte gemacht. Green Growth weckt wegen der Dringlichkeit der Klimakrise daher falsche Hoffnungen. "Eine hinreichende Entkopplung von Umwelteffekten beziehungsweise Emissionen und Wirtschaftswachstum werde nie gelingen.
Es scheint leider im Wesen der Menschen zu stecken, dass man zwar, um Kalorgien zu sparen, fettreduzierte Chips isst, aber dann statt einer Handvoll gleich die ganze Tüte futtert
- Claudia Kemfert über den Rebound-Effekt
  • Suffizienz oder Genügsamkeit zielt darauf ab, denn Ressourcenverbauch auf ein nachhaltiges Maß zu reduzieren. Ganz drastisch könnte dies durch ein CO2-Budget pro Person (6,5 Kilogramm statt derzeit ca. 30 Kilogramm pro Tag) gedacht werden. Emissionen würden dadurch zur Währung.
  • Konsistenz: eine Kreislaufwirtschaft, die keine Abfälle entstehen lässt und alles wiederverwendet wird. Die Circular Economy braucht erhebliche Investitionen, anderes Produktdesign und Regularien, die politisch schwer durchsetzbar sind.
  • Dafür sei aber auch ohne Wirtschaftswachstum eine höhere Lebensqualität möglich" (Claude Kemfert).

Alle drei Ansätze müssen möglichst schnell implementiert werden. Das klingt verwirrend: (grünes) Wachstum und schrumpfen gleichzeitig?

BIP: oder warum Flutkatastrophen das Vermögen steigern

Wir messen den wirtschaftlichen Erfolg einer Nation anhand des Bruttoinlandprodukts (BIP). Dies misst den Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen innerhalb eines Landes.

Kritik am BIP:

  • Es misst kurzfristige Effekte ohne langfristige Auswirkungen oder Gründe einzubeziehen. Die Produktion einer Waffe steigert das BIP, ebenso wie Beerdigung einer Person. Die Instandsetzungsarbeiten im Folge der Flutkatastrophe im Ahrtal sind ebenfalls positiv für das BIP.
  • Es vernachlässigt unbezahlte Arbeit, wie Kindererziehung oder ehrenamtliches Engagement.
  • Es sagt nichts über die Verteilung des Vermögens aus. Trotz hohem BIP könnte der Großteil einer Gesellschaft in Armut leben
"Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind."
Albert Einstein

Wir müssen unseren Fortschritt anders messen

Statt der Fokussierung auf das BIP sollten wir ein breiteres Verständnis von Wohlfahrt entwickeln, das auch qualitative Aspekte wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Lebensqualität einbezieht. Es gibt bereits verschiedene alternative Wohlfahrtsindikatoren wie den Nationalen Wohlfahrtsindex oder den Better Life Index, die soziale und umweltbezogene Entwicklungen berücksichtigen.

Eine vorsorgeorientierte Postwachstumsökonomie findet die Balance zwischen "Green Growth" und "Degrowth". Der Wandel erfordert ein Umsteuern der Investitionen: weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Dazu gehören die Einpreisung von Umweltschäden, die Regulierung der Finanzmärkte für nachhaltige Investitionen sowie recycelbare Produkte mit einem Recht auf Reparatur.

Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelingt nicht über Verbote und Verzicht, sondern über positive Ziele und attraktive Alternativen. Wir müssen die Vorteile der Lebensqualität von lebendiger Natur, sauberer Luft, kurzen Wegen und fairem Miteinander messen und in den Fokus rücken.

Unlearn Mode (Nina Lorenzen)

Mit Fashion Changers betreibt Nina Lorenzen eine Vernetzungs- und Bildungsplattform, um Nachhaltigkeit in der Modewelt voranzubringen.

Emissionen verursacht die Modeindustrie zu 90% als indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette. Fossile Materialien landen als Fasern in der Kleidung, lösen sich als Mikroplastik beim Waschen und enden im globalen Süden auf Müllhalden. In der Baumwollproduktion gibt es Sklaverei und die Arbeitsbedingungen in der Produktion sind schlecht.

Fast Fashion, bekannt durch Marken wie H&M, Zara aber auch Adidas und Nike und neuerdings Ultra Fast Fashion mit Marken wie Shein, verursachen durch Überproduktion viel Abfall. Vor allem, weil Sie immer schneller neue Kollektionen entwerfen. Bei Shein werden 1100 neue Styles am Tag im Shop aufgenommen.

Endstation für Kleidung: Müllkippen im globalen Süden

Abstimmung per Kassenzettel

Als Lösung wird häufig das "Abstimmen per Kassenzettel" propagiert. Statt Kleidung bei klimaschädlichen Anbietern zu kaufen, reicht es nachhaltige Labels zu wählen.

Doch der Ansatz greift zu kurz. Einerseits gibt es kaum Transparenz über die tatsächliche Nachhaltigkeit von Mode (entlang der gesamten Wertschöpfungskette), andererseits ist der Preis nicht für alle erschwinglich. Das Problem muss strukturell gelöst werden.

Modeunternehmen in die Verantwortung nehmen

Ob (Ultra) Fast Fashion oder teurer Marken, die Verhandlungsmacht der Modeunternehmen aus dem globalen Norden ist enorm. Sie outsourcen die Produktion und die Verantwortung gleich mit. Die Arbeitssicherheit ist Aufgabe der Subunternehmer in Billiglohnländern. Gleichzeitig werden die Kosten runtergehandelt und deren Subunternehmer sind dem Modeunternehmen gar nicht erst bekannt. Siegel oder TÜV-Untersuchungen sind unzureichend.

Eine Geschäftsbeziehung auf Augenebene muss hergestellt werden. Nur 1% der Textilarbeiter:innen sind derzeit gewerkschaftlich organisiert. Sicherheitshinweise aus der Belegschaft werden, wie beim Fabrikeinsturz 2013 in Bangladesch mit 1134 Toten, werden ignoriert.

Diese Probleme können nur dank strenger Lieferkettengesetze adressiert werden. Freiwillige Verpflichtungen haben in der Vergangenheit keinen großen Effekt gezeigt. Die Regularien in Deutschland und der EU sind erste wichtige Meilensteine.

In der EU ist die Modebranche ein Hochrisikosektor. Somit ist weitere Regulatorik möglich: Materialnutzung ohne Mikroplastik, Strafen für immense Überproduktion, ein digitaler Produkpass. Auch die Lieferkettengesetze waren vor kurzem noch Utopie.

Unlearn Desinformation (Stefan Rahmstorf)

Als Professor am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung argumentiert Prof. Rahmstorf, dass Desinformation nicht nur die öffentliche Wahrnehmung verzerrt, sondern auch politische Entscheidungen und individuelle Verhaltensweisen negativ beeinflusst.

Lobbyauftrag: Verwirrung schüren

Allein Shell, ExxonMobil, Chevron und Total Energies gaben 2019 200 Millionen Dollar für den Lobbyismus gegen den Klimaschutz aus. Da sie mit fossilen Energien 1000 Milliarden Dollar im Jahr einehmen, rechnet sich das. Sie schüren mit gezielten Kampagnen den Zweifel an der wissenschaftlichen Konsens.

Der Hockey-Stick wird oft diffamiert. Quelle: Unlearn CO2, S. 173

Die Strategien der Desinformation haben sich im Laufe der Zeit verändert. Während früher der Klimawandel an sich geleugnet wurde, konzentrieren sich die Bemühungen heute darauf, Lösungen anzuzweifeln und zu verzögern. Dies geschieht oft durch das Schüren von Ängsten vor wirtschaftlichen Verlusten oder Wohlstandseinbußen.

Beispiel: 0,4 Promille CO₂ Gehalt in unserer Luft

Bei dem geringen Anteil an CO₂ solle dessen Änderung angeblich irrelevant sein. „In jedem Liter Luft stecken inzwischen 3 432 000 000 000 000 000 zusätzliche CO₂-Moleküle aus fossilen Brennstoffen, die Wärmestrahlungen absorbieren und das Klima aufheizen.“

Eintausend Liter Urin in einem normalem olympischen Schwimmbecken entsprechen im Übrigen auch 0,4 Promille. Wer möchte dort tauchen?

Als Strategien werden zur Klimawandelleugnung neben dreisten Lügen vor allem fünf Strategien verwendet:

  • Pseudo-Experten: Es werden angebliche "Expert*innen" präsentiert, die nichts Nennenswertes in diesem Fachgebiet veröffentlicht haben, aber durch akademische Titel Glaubwürdigkeit suggerieren sollen
  • Logikfehler: Fehlerhafte Argumentationen werden genutzt, um falsche Schlussfolgerungen zu ziehen und Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu säen.
  • Unerfüllbare Erwartungen: "Es wird ein eindeutiger Beweis für CO2 als Ursache des Klimawandels gefordert. Beweise gibt es [...] in der Mathematik. In der Physik gibt es empirische Belege, und die sind erdrückend."
  • Rosinenpickerei: Einzelne Daten oder Ereignisse werden aus dem Kontext gerissen, um den Gesamttrend des Klimawandels zu leugnen.
  • Verschwörungsmythen: Es werden Theorien verbreitet, die eine geheime Verschwörung von Wissenschaftlern oder Regierungen zur Täuschung der Öffentlichkeit behaupten.

Um dieser Desinformation entgegenzuwirken, empfiehlt Prof. Rahmstorf eigene Expertise in Diskussionen einzubringen und sich zu vernetzen. Ressourcen wie das Handbuch Über Klima sprechen↗, skepticalscience.com, klimafakten.de, realclimate.org oder die Klimalounge bei Spektrum bieten umfassende Listen von Klimaskeptiker-Thesen und deren wissenschaftliche Widerlegungen bietet

Unlearn Arbeit (Sara Weber)

Die Journalistin Sara Weber beleuchtet den Einfluss den die Klimakrise auf die Arbeit hat - und andersherum.

Eine nachhaltige Wirtschaft bedeutet weniger Überkonsum und Überproduktion, was direkte Auswirkungen auf unsere Arbeitsrealität hat.

Aktuell befinden wir uns in einer Teufelsspirale: Mehr Arbeit erzeugt mehr Stress, reduziert Wohlbefinden und führt paradoxerweise zu erhöhtem Konsum und klimaschädigendem Verhalten. Diese Dynamik muss durchbrochen werden.

Die 4-Tage-Woche bietet einen vielversprechenden Ansatz. In Praxistests zeigte sich, dass die Produktivität kaum leidet - tatsächlich behalten 92% der Unternehmen dieses Modell nach Testphasen bei.

Und die Klimakrise wirkt sich bereits direkt auf Arbeitsprozesse aus. Hitzewellen senken die Produktivität und gefährden Arbeitende in exponierten Bereichen wie Bau und Landwirtschaft teils mit Todesfolgen.

Gewerkschaften und Bündnisse von Mitarbeitenden können dabei auf Klimaadaption im Unternehmen hinarbeiten. Die Kraft liegt im gemeinsamem Engagement - sei es bei der Umstellung der Kantinenverpflegung oder strategischen Ausrichtung.

Ein weiterer Hoffnungsträger ist die wachsende Bewegung des "Climate Quitting" und die zunehmende Suche nach sogenannten Green Task Jobs. Besonders junge Menschen motiviert ein nachhaltiger Job.

Unlearn Wetter (Özden Terli)

Der Meteorologe Özden Terli beschreibt die tiefgreifenden Auswirkungen des Klimawandels auf unser Wettersystem und die daraus resultierenden Herausforderungen.

Häufiger und stärker: Unwetterkatastrophen durch den Klimawandel

Die globale Erwärmung führt zu veränderten Temperaturunterschieden zwischen Äquator und Polen, was die atmosphärischen Luftströmungen beeinflusst. Diese Veränderungen verstärken die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen als natürliche Ausgleichsversuche.

Ein wärmeres Klima ermöglicht der Atmosphäre, mehr Wasserdampf zu speichern. Dies führt zu intensiveren Niederschlägen und verheerenden Überschwemmungen, wie sie im Ahrtal oder in Libyen zu beobachten waren.

Die Stärke dieser Ereignisse übersteigt oft die Vorhersagen bestehender Klimamodelle und lassen sich mit Erfahrung der Vergangenheit nicht mehr vorhersagen.

Ein besonders alarmierender Aspekt ist die Langlebigkeit von CO2 in der Atmosphäre. Selbst wenn ab sofort kein weiteres CO2 mehr ausgestoßen würde, blieben die Auswirkungen auf das Wetter für Jahrtausende bestehen. Dies unterstreicht die Dringlichkeit sofortiger und weitreichender Klimaschutzmaßnahmen.

Anpassungsstrategien wie der Bau höherer Deiche oder das Konzept der Schwammstadt können zwar wichtige Beiträge zum Schutz von Menschenleben leisten, haben aber nur begrenzte Wirkung angesichts der Größenordnung der Herausforderungen. 

Unlearn Patriarchat (Sheena Anderson & Kristina Lunz)

Die zwei Feministinnen Sheena Anderson und Kristina Lunz legen dar, dass patriarchale Strukturen und die Klimakrise eng miteinander verwoben sind.

In vielen Gesellschaften weltweit dominieren (reiche) Männer die Entscheidungspositionen in Politik und Wirtschaft. Diese Systeme haben maßgeblich zur Entstehung und Verschärfung der Klimakrise beigetragen. Ein besonders drastisches Beispiel dafür ist, dass das reichste 1% der Menschheit genauso viele Emissionen verursacht wie die ärmsten 66%.

Die Auswirkungen der Klimakrise sind nicht gleichmäßig verteilt. Frauen, BIPoC (Black, Indigenous, People of Color), indigene Völker, Menschen mit Behinderungen und Bewohner des globalen Südens sind überproportional betroffen. Diese Ungleichheit spiegelt bestehende Machtverhältnisse wider und verstärkt sie gleichzeitig.

Angesichts dieser Zusammenhänge wird deutlich, dass Klimaschutz und Feminismus untrennbar miteinander verbunden sind. Eine wirksame Klimapolitik muss daher feministische Perspektiven und das Ziel der Gleichberechtigung von Anfang an mitdenken und integrieren. Nur so können nachhaltige und gerechte Lösungen für die globale Klimakrise gefunden werden.

Trotz der Dringlichkeit dieser Erkenntnisse haben feministische Perspektiven und zivilgesellschaftliche Akteure oft nur begrenzten Zugang zu Entscheidungsprozessen in Regierungskreisen und bei internationalen Klimaschutzkonferenzen wie der COP. Dies zeigt sich beispielsweise in der mangelnden Repräsentation und den Schwierigkeiten, mit hochrangigen Politikern in einen direkten Dialog zu treten.

Unlearn Energie (Andreas Schmitz)

Der Heimtüftler Andreas Schmitz erklärt in diesem Text (und seinem YouTube-Kanal), wie er einen Großteil seiner Energie und Wärmeversorgung selbst produziert.

Angefangen hat auch Andreas Schmitz in kleinem Maße: mit einem Balkonkraftwerke in einer Mietwohnung. Die Investition in ein Balkonkraftwerk amortisiert sich oft innerhalb von 4 bis 6 Jahren, was es zu einer attraktiven Option für Haushalte macht, die ihre Energiekosten senken möchten. So hat er immer weitere Optimierungen umgesetzt: Akkus und später eine Fotovoltaikanlage, welche auch für die Wärmeversorgung Strom produziert.

Mit hoher Reichweite seines YouTube-Kanals konnte Andreas Schmitz später eine Petition einbringen, welche die Vorschriften für Balkonkraftwerke lockert. Somit empfiehlt er das Nachamen: mit kleinen Schritten in der Energieversorgung von zu Hause aus.

Unlearn Gesundheit (Eckart von Hirschhausen)

Als Mediziner, Professor und Moderator sieht Eckart von Hirschhausen es als seine Verpflichtung an, auf die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise aufmerksam zu machen. Er, dass wir von persönlicher zu planetarer Gesundheit übergehen müssen, da die Überhitzung der Erde konkrete Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat.

Klimaschutz ist in erster Linie eine Form der gesundheitlichen Prävention, insbesondere für vulnerable und ärmere Bevölkerungsgruppen. Während der Hitzeperiode 2003 sind 70.000 Menschen in Europa durch die Hitze gestorben. Besonders ältere Menschen, Stadtbewohner ohne einfachen Zugang zu Grünanlagen, Diabetiker und Menschen mit Herzschwäche sind gefährdet.

Zusätzlich zu den Hitzewellen verursachen auch Jahrhundertfluten und -dürren sowie Erkrankungen durch Feinstaub erhebliche gesundheitliche Probleme,

Nicht nur CO₂, sondern auch Quecksilber und andere Feinstaubpartikel schädigen unsere Organe und führen zu zahlreichen Todesfällen. Dabei reichen individuelle Maßnahmen allein nicht aus, da sich „Luft nicht einsperren lässt“.

Zuletzt kommt die Planetary Health Diet sowohl der menschlichen Gesundheit als auch der Umwelt zugute. Diese beinhaltet eine stark pflanzenbasierte Ernährung mit mehr Hülsenfrüchten und weniger rotem Fleisch und Fertiggerichten.