ver.de: Du als Eigentümer:in der ersten grünen Versicherung?
Versicherungen sind eigentlich am schönsten, wenn sie nicht gebraucht werden. Dachte ich zumindest.
Denn das Gegenteil von schön ist, wie Versicherungen deine Beiträge investieren. Spoiler Alert: besonders nachhaltig und ethisch ist das nicht.
Leider gibt es aber keine wirkliche nachhaltige Versicherung. Das ändert ver.de. Die ver.de Genossenschaft, möchte die erste nachhaltige Versicherung* in Deutschland werden.
Und du kannst ein Teil von ver.de werden 😉 Um mehr über ver.de zu erfahren, durfte ich die wichtigsten Fragen stellen.
Interview mit Elena Sulzbeck von ver.de
kīnu: In einem Satz: was ist ver.de?
Elena Sulzbeck (Vorstand ver.de Genossenschaft): Mit ver.de wollen wir Deutschlands erste nachhaltige Versicherung gründen: genossenschaftlich, gemeinwohl-bilanziert, ökologisch-sozial und transparent.
Hälfte der etwa 4-5,4 Millionen Euro Einlagen bereits eingesammelt
Ab wann ist ver.de realistischerweise eine echte Versicherung?
In 2023 haben wir unsere erste große Mitglieder-Kampagne gestartet und nun ca. die Hälfte des notwendigen Kapitals erreicht, um die Zulassung als Versicherung beantragen zu können. Hier haben sich eine Menge Menschen für ver.de eingesetzt und unsere Genossenschaft ist von knapp über 100 auf über 450 Menschen gewachsen. Ein tolles Zeichen!
Nach der großen Begeisterung im vergangenen Jahr sind wir optimistisch, dass wir die zweite Hälfte des Kapitals im ersten Halbjahr 2024 erreichen können.
- Elena Sulzbeck
Die Finanzierung, ist aktuell der entscheidende Punkt für ver.de: Denn um eine Zulassung als Versicherung zu bekommen, benötigen Versicherer große Summen an Kapital. Warum? Das ist das Sicherheitspolster der Versicherung, damit sie im Schadensfall auch immer zahlen können.
Aber nach der großen Begeisterung im vergangenen Jahr sind wir optimistisch, dass wir die zweite Hälfte des Kapitals im ersten Halbjahr 2024 erreichen können.
Was motiviert dich persönlich, dich jeden Tag mit Versicherungen zu beschäftigen?
An sich sind Versicherungen kein besonders beliebtes Thema. Für die meisten Menschen sind sie eher ein notwendiges Übel. Dabei steckt in Versicherungen so viel Potential für Klimaschutz und eine sozialgerechte Zukunft: Versicherungen gehören nämlich zu den größten Investoren weltweit.
Bei den Versicherungen liegt eine Menge Geld. Denn schliesslich müssen sie im Schadenfall immer zahlen können. Der entscheidende Punkt ist, dass Versicherungen diese Geldmengen weiter investieren: In Unternehmen und Projekte. Und hier macht es einen entscheidenden Unterschied für unsere Zukunft, ob sie beispielsweise Kohlekraftwerke oder Solarkraft finanzieren.
Wie cool ist der Gedanke, dass meine Versicherung nicht nur mich im Schadensfall schützt, sondern nebenbei das finanziert, was wir brauchen: Wie den Ausbau des ÖPNV, Erneuerbare Energie oder bezahlbaren Wohnraum in Städten, in denen sich die Menschen Wohnungen kaum mehr leisten können.
Und genau das setzen wir mit ver.de um. Es ist höchste Zeit etwas zu verändern und Versicherungen bergen das Potential, den Wandel positiv voranzutreiben. Das ist das, was mich täglich motiviert, ver.de weiter voranzutreiben. Bisher gibt es in ganz Europa nämlich noch keine wirklich nachhaltige Versicherung.
2 Billionen Euro für den Klimaschutz durch Versicherungen
Was ist deiner Meinung nach der größte Hebel, den eine Versicherung nachhaltig macht?
Das Gesamtvermögen Deutscher Versicherungen beträgt insgesamt knapp 2 Billionen Euro. Das ist eine Zahl mit 12 Nullen. Fest steht: Klimaschutz braucht Investitionen. Und in der Versicherungswirtschaft liegt so viel Geld, dass hierfür genutzt werden könnte.
Vor allem jetzt ist das Thema Finanzierung aktuell. Durch die Finanzierungslücke des Bundeshaushalts fehlt es an diesem Klimaschutz-Investitionen. Wenn wir privates Kapital, wie das von Versicherungen, so anlegen, dass es öko-sozialen Projekten zu Gute kommt, könnten wir einen großen Hebel in Gang setzen.
Doch die Realität sieht anders aus: Versicherungen machen nach wir vor Geschäfte und Geld mit klimaschädlichen Branchen wie der Öl- und Gasindustrie. Sie geben ihnen einerseits Versicherungsschutz und investieren andererseits ihr Geld in diese Branchen.
Zur Veranschaulichung: Seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens haben Finanzunternehmen weltweit dazu beigetragen, dass Öl-, Gas- und Kohleunternehmen über 1 Billion Euro an Anleihen aufnehmen konnten.
Deshalb fordern wir einen Finanzierungsstopp von Fossiler Energie. Geld wirkt nämlich dort, wo es investiert wird.
Weitere Hebel einer Versicherung
Neben der Art, wie die Rücklagen investiert werden, gibt es noch weitere Hebel für Nachhaltigkeit bei einer Versicherung.
Größtenteils betrifft das die Produkte, die die Versicherung anbietet.
- Wird zum Beispiel ein Ölunternehmen versichert?
- Gibt es bessere Tarife im Schadensfall, falls die Reparatur mehr kostet als der Neukauf des beschädigten Produkts?
- Gibt es sinnvolle Ersatzleistungen im Schadensfall? (Bei der Fahrradversicherung von ver.de↗ werden im Schadensfall z.B. Tickets für den ÖPNV übernommen, bis das Ersatzrad da ist)
Mehr zu den Hebeln einer Versicherung im Artikel: Was sind nachhaltige Versicherungen?
Wie investiert ihr Rücklagen und stellt sicher, dass dies nur ethisch passiert?
Wir investieren ausschliesslich nach dem Prinzip des Impact-Investings. Das heißt, wir analysieren bei jeder Investition genau, wohin das Geld fließt und welche Wirkung es hat. Dann wählen wir die Investitionen mit der bestmöglichen Wirkung für Klima, Natur und Gesellschaft und legen das Ergebnis auf unserer Webseite offen.
Für unsere Arbeit im Impact Investing wurden wir in 2023 mit einer Forschungszulage ausgezeichnet. Denn das Besondere ist, dass wir nicht nur negative Investitionen (wie in Öl) vermeiden, sondern bereits heute gezielt Positives finanzieren (wie ökologische Landwirtschaft, Inklusion oder die Renovierung von Schulen).
Werteorientiertes Investieren vs. Impact Investing
Wie Elena ausführt, legt ver.de den Fokus auf das Impact Investing. Leider gibt es nicht die eine einheitliche Definition. Allgemein sind das Investitionen mit einem direkten und messbaren Mehrwert („Impact“).
Im Vergleich dazu gibt es das werteorientierte Investieren, auch verkürzt als ESG-Investitionen. Dabei wird meistens nur nach bestimmten Kriterien ausgewählt, zum Beispiel, indem in manche Branchen nicht investiert wird. (Mehr dazu hier)
Das grenzt Elena hier klar ab. ver.de geht demnach über das „einfachere“, aber nicht so wirkungsvolle werteorientierte Investieren hinaus. 💪
Du kannst auf unserer Webseite übrigens mit abstimmen, was wir zukünftig finanzieren sollen. Ganz ohne [...] Daten zu Dir. So wollen wir allen Menschen Mitbestimmung ermöglichen.
Von erneuerbaren Energien über Bildung bis hin zu Abfallverwertung steht einiges zur Auswahl. Die Qual der Wahl
Habt ihr dadurch Mehraufwand und sind eure Versicherungen daher immer teurer als nicht-nachhaltige?
Nachhaltigkeit sollte für alle Menschen zugänglich sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier nicht zu teuer sind. Wir setzen vom ersten Tag an auf automatisierte Prozesse und effiziente Strukturen, um unsere Preise möglichst gering zu halten. Trotzdem werden wir nicht die günstigsten sein. Dann könnten wir unsere Leistungen so nicht mehr garantieren. Wir streben das untere Mittelfeld an.
Eine Sache noch: Versicherungen müssen ihr Geld so oder so investieren. Hier entsteht kein Mehraufwand, wenn dies nachhaltig geschieht. Vor allem nicht, wenn wir es von Tag 1 machen.
Bei ver.de mitbestimmen und investieren
Was unterscheidet ver.de von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit?
Die Unternehmensform VVAG – Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit – war tatsächlich unser erster Ansatz, als wir in die Planung von ver.de gingen.
Kurz für die, die den Begriff nicht kennen: Dabei sind die Versicherungsnehmer*innen – also die Kund*innen – die Mitglieder des Unternehmens und die Träger*innen des Vereins. Uns wurde allerdings schnell gespiegelt, dass wenige Menschen mit diesem Begriff etwas anfangen konnten. Er war sehr fachspezifisch.
Mit ver.de ist es unser Ziel, den Menschen Mitbestimmung zu ermöglichen und dafür muss es leicht sein, sich einzubringen. Deshalb haben wir uns letztendlich für die Genossenschaft entschieden.
Welche Versicherungen plant ihr nach der Fahrradversicherung anzubieten - und warum?
Mit der Zulassung starten wir zunächst mit den Sachversicherungsprodukten Hausrat, Haftpflicht, Inhalt und Elektronik für Privatpersonen und kleinere Unternehmen. Dann wollen wir uns aber weiter ausbauen, um möglichst bald ein umfassendes Produktportfolio aus den gängigen Sachversicherungen sowie einigen speziell nachhaltigen Versicherungen (beispielsweise für die Circular Economy) anzubieten.
Langfristig planen wir zudem Leben- und Krankenversicherungsprodukte. Aber da spielt dann auch die ver.de Genossenschaft eine große Rolle: Unsere Mitglieder können mitentscheiden, welche Produkte wir anbieten werden. Da sind wir bereits gespannt, was noch alles kommt.
Wie hoch muss eigentlich die Reserve sein, die ihr aufbaut?
Das kommt ganz darauf an, welche Produkte eine Versicherung anbietet. Um mit Produkten wie Hausrat und Elektronik starten zu können, brauchen wir ca. 4 bis 4,5 Millionen Euro. Für Leben- und Krankenversicherungen beispielsweise sind die Beträge deutlich höher.
Wie kann ich jetzt schon eine nachhaltige Versicherung finden, z.B. Kranken-, Berufsunfähigkeits- oder Haftpflichtversicherung?
Es gibt bereits von bestehenden, konventionellen Versicherungen grüne Produktlinien oder Tochterunternehmen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Mal mehr, mal weniger ernsthaft. Hier lohnt es sich, einen Blick in den Fair Finance Guide oder in die Bestenliste bei Utopia zu werfen. Eine ganzheitlich nachhaltige Versicherung gibt es allerdings noch nicht. Und genau deshalb gründen wir ver.de.
Ratings für nachhaltige Versicherungen
Neben dem Fair Finance Guide bietet auch die Website von Insure Our Future eine Scorecard mit wenigen deutschen Versicherungen.
Was kann ich unternehmen, um meine Versicherung nachhaltiger zu gestalten?
Um eine nachhaltige Zukunft zu finanzieren, ist es wichtig, dass die Versicherungswirtschaft gemeinsam an einem Strang zieht. Hier bringt es uns deutlich weniger, wenn ver.de das alleine macht. Denn bei den anderen, bestehenden Versicherungen liegt ja auch eine Menge Geld.
Deshalb wollen wir hier auf keinen Fall die einzig Nachhaltigen bleiben. Im Gegenteil, wir wollen einen neuen Standard setzen und die bestehenden Versicherungen motivieren, sich ebenfalls mit der Wirkung ihrer Investitionen auseinander zu setzen.
Wenn Du hier helfen möchtest, dann sprich Deine Versicherung darauf an. Fordere Informationen ein, wie genau sie investieren und mache deutlich, was Du mit Deinen Beiträgen nicht finanzieren möchtest.
Natürlich freuen wir uns auch, wenn Du den Weg gemeinsam mit ver.de gehst. Als Mitglied unserer Genossenschaft kannst Du genau das tun: ver.de möglich machen und mitgestalten.
Wie kann ich bei ver.de mitmachen? Fahrradversicherung, Investieren oder im Finanz-Check?
Der direkteste Weg ist die Mitgliedschaft in unserer Genossenschaft: Hier hilfst Du uns, das notwendige Kapital für die Zulassung zu sammeln und Du profitierst von den Ausschüttungen der zukünftigen Versicherung. Bereits ab einem einmaligen Beitrag von 300 Euro kannst Du Mitglied der Genossenschaft werden und mitentscheiden. So bist Du Pionier*in der nachhaltigen Finanzwelt und baust etwas völlig Neues auf: transparent und für das Gemeinwohl.
Außerdem kannst Du schon heute auch unseren Fahrradschutz in Anspruch nehmen, der Dein Fahrrad vor Unfall, Vandalismus, Sturz und Diebstahl sichert.
Vielen Dank an das Team von ver.de und Elena Sulzbeck für das Interview!
Wenn du schon hier bist, ist es vielleicht an der Zeit über eine nachhaltige Bank nachzudenken?